Engelnstedt
Ortheimatpflege - Unser Dorf - Geschichten aus der Kriegszeit

Eine schreckliche Entdeckung in der Mühle

 

Je nach Jahreszeit und Viehbestand wurde auf unserem Hof 2 - 3 Mal im Monat Schrotkorn, meistens Hafer und Gerste, eingesackt und zum Schroten zur Mühle gebracht. Anhand der alten Rechnungen des Müllers R. G. kann man sehen, dass wir monatlich 10 bis 20 Zentner Getreide schroten ließen.

Als Kind war es für mich immer ein Erlebnis, mit zur Mühle zu fahren.

Hierzu wurden 5 - 6 Zentner a' 100 Pfund eingesackt auf dem Kornboden, mit dem Aufzug (wir hatten damals schon eine elektrische Seilwinde) heruntergelassen auf die bereit stehende Mistschleppe (ein aus 2 eisenbeschlagenen Kufen ca. 2,5 m lang mit darauf genagelten ca. 1 m breiten Brettern bestehender Schlitten zum Ausmisten des Kuhstalls).

Mit einem Pferd oder Ochsen ging es dann ab zur Mühle. Ich saß mit Richard und Gespannführer Erich oben auf den Säcken, wenn die Mistschleppe quietschend und kratschend auf der Strasse entlang schlingerte.

So war es auch Anfang Oktober 1939. Ich war gerade 7 Jahre alt.

Mit der Schleppe unter dem Aufzug der Mühle angekommen, rief unser  Erich nach dem Müller, er solle die Kette vom Aufzug herunterlassen, ---- aber nichts tat sich. Nach mehrmaligen Rufen stiegen wir, Erich vorweg, die alte eichene Treppe hinauf in die Mühle, in der es immer etwas schummerig und für mich auch unheimlich war.

Kein Müller antwortete oder war zu sehen. Erich rief noch einmal  "Herr G....", aber nichts rührte sich. Wir gingen weiter in den unteren Raum, der in der Mitte den mächtigen  Hausbaum von ca. 80 - 90 cm Durchmesser als Drehpunkt für die Mühle hatte.

Plötzlich blieb Erich wie angewurzelt stehen und zeigte hinter den dicken Stamm. Als wir näher kamen, sah ich den Müller bewegungslos auf einem vollen Schrotsack sitzend mit einer Schnur um den Hals. Er hatte sich erhängt.

So schnell bin ich noch nie die Mühlentreppe hinunter und querfeldein über unseren Acker zum Hof gelaufen, um es meinen Eltern zu berichten.

Zusammengetragen von Ortsheimatpfleger Heinrich Hagemann 2005

 

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