Engelnstedt
Ortheimatpflege - Unser Dorf - Geschichten aus der Kriegszeit

Illegale Rapsernte und Ölherstellung

 

Zu dieser Zeit litt die gesamte Bevölkerung unter Nahrungsmittelknappheit. Vor allen Dingen Öle und Fette gab es wenig oder gar nicht. So wurde versucht, sich solche zum Leben notwendige Lebensmittel anders zu beschaffen.

Eine Methode, wie man zu Öl kommen konnte, habe ich als Kind erlebt:
Außer Getreide, Rüben und Kartoffeln wurde auch Raps angebaut, eine Ölfrucht. Kurz vor dem Einfahren des in Stiegen aufgestellten Rapses waren plötzlich Stiegen ausgedroschen, es lagen nur noch die groben Stängel vom Raps auf dem Acker.

Was war geschehen?

Die Engelnstedter Bauern und Gleichgesinnte taten sich zu einer Wachmannschaft zusammen, die abwechselnd die betroffenen Felder nachts beobachteten. Sie versteckten sich in noch unberührten Stiegen. Vor allem in mondhellen Nächten wurde es plötzlich lebendig auf dem Acker. Mit Fahrrädern schlichen sich Gestalten heran, meist Fremde aus Nachbarorten und machten sich an den Stiegen zu schaffen. Und was taten sie da?

Zunächst breiteten sie eine Plane neben einer Stiege aus, stellten ihr Fahrrad auf Lenker und Sattel, eine Person drehte die Pedale, um das Hinterrad auf Touren zu halten. Die zweite Person öffnete die Garben und hielt die dicken Stängel mit den Schoten voller Rapskörner in die Speichen. So wurde der Raps ausgedroschen und fand sich mitsamt der Spreu auf dem Laken wieder. Man konnte in kurzer Zeit 1-2 Säcke voll von der begehrten Frucht ernten. Was wurde weiter mit dem Raps gemacht?

Zunächst musste er gereinigt werden. Dieses geschah mit Sieben für die groben Teilchen. Mit Wind wurde der feine Staub und Dreck aus den Körnern entfernt. Jetzt fehlte nur noch ein Gerät zum Auspressen des Öles. Hierzu gab es findige Handwerker, die so kleine Maschinen für den Hausgebrauch herstellen konnten. Sie wurden auf dem Schwarzmarkt gehandelt, z.B. gegen Raps, Fleisch, Wurst, Butter Rauchwaren usw.

Wie solch eine Presse gebaut war und wie sie funktionierte:
Es ist das Prinzip des Fleischwolfs. In einem runden Gehäuse läuft eine durch Elektromotor und Getriebe sich drehende Schnecke. An der Antriebsseite befindet sich obenauf ein Trichter, in den die Ölfrucht eingefüllt wird. Am anderen Ende ist das Gehäuse verschlossen
durch einen aufzuschraubenden Kopf mit einem ca.10 mm Loch, welches durch eine Flügelschraube verkleinert werden kann. An der Unterseite des Gehäuses befinden sich viele kleine Löcher.

Zu Beginn des Ölpressens muss der vordere Kopf erhitzt werden, um das Öl fließfähiger zu machen. Im weiteren Betrieb bleibt der Kopf durch den hohen Pressdruck des nachkommenden Rapses von allein heiß. Der Druck kann noch erhöht werden durch Verkleinern des Loches mit der Flügelschraube. Aus diesem Loch kommt dann der Ölkuchen wie kleine Würste herausgeschossen und aus den kleinen Löchern nach unten fließt das frisch gewonnene Öl heraus.

Eigene Aufzeichnung von Ortsheimatpfleger Heinrich Hagemann 2003

 

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