Engelnstedt
Ortheimatpflege - Unser Dorf - Geschichten aus der Kriegszeit

Als die Kutsche noch ein wichtiges Verkehrsmittel war

 

 

Mir ist noch gut in Erinnerung, dass ich mit meinem Cousin die neu gegründete Oberschule für Jungen in Lebenstedt (heutiges Kranich-Gymnasium) ab 1943 besuchte.

Die letzten Kriegsjahre bis 1945 waren für uns Schüler eine schwierige Zeit mit Fliegeralarm und anschließendem Unterricht im Lebenstedter Bunker. Ich wundere  mich heute noch, wie die Kommunikation unserer Eltern mit der einzigen Lehrerin und Leiterin der Schule, Fräulein Raithel, funktionierte.

Einige Male spannte mein Cousin oder ich eines unserer Pferde vor den Kutschwagen und holten unsere Lehrerin, die in dem Schulhaus (alte Dorfschule Lebenstedt) wohnte, ab zu uns auf den Hof. Für sie war das immer ein großes Erlebnis, mit einer Kutsche durch die neu entstehende Stadt aufs Dorf zu fahren.

Zu Haus sprach man die aktuellen Probleme an, die sich aus dieser schweren Zeit ergaben. Wahrscheinlich waren auch wir Schüler ein Diskussionspunkt !? Abends brachten wir Fräulein Raithel mit der Kutsche wieder wohlbehalten in ihre Wohnung zurück.

*

Kurz nach dem Krieg, es muss so um 1950 gewesen sein, besuchten unser Freund Alfred, mein Cousin und ich die neu eröffnete Tanzschule Robert Möller in Lebenstedt.
Mit dem Fahrrad fuhren wir abends nach Alt-Lebenstedt zur Gastwirtschaft " Heinemanns Höhe" zum Tanzen. Dort hatte Herr Möller den Saal gemietet und gab uns und vielen anderen Tanzunterricht mit seiner Frau und Tochter Ruth.

Aus welchem Grund auch immer sollte der Abschlussball für uns 3 Engelnstedter in unserem Haus oben auf dem Saal stattfinden. Autos gab es kaum und so wurde abgesprochen, Familie Möller (Vater, Mutter, Tochter) und eine Freundin der Tochter mit dem Kutschwagen abzuholen.

Ich fuhr also, nachdem ich den Kutschwagen gewienert, Pferd und Geschirr geputzt und die Hufe mit Huffett eingekremt hatte, auf der alten Betonbahn nach Lebenstedt und links ab die Berliner Straße entlang. Dort wohnte im Abschnitt IV neben einem Torbogen die Familie Möller. Sie warteten schon auf mich. Nachdem ich die 4 Personen und den so wichtigen Plattenspieler auf der Kutsche verstaut hatte, ging es im Trab auf der Berliner Straße zurück nach Engelnstedt.

Nach einem kleinen Imbiss, den meine Mutter vorbereitet hatte, brachte unser Tanzlehrer Herr Möller seinen Plattenspieler in Gang und wir 3 Engelnstedter konnten mit den 3 Damen das in der Tanzschule Gelernte unseren Eltern vorführen.

Mit beleuchteter Kutsche brachte ich die Familie Möller abends wieder zu ihrer Wohnung in Lebenstedt.     

Eigene Aufzeichnung von Ortsheimatpfleger Heinrich Hagemann 2004

 

Designed&programed by Hagemann, Germany, 2018