Engelnstedt
Ortheimatpflege - Unser Dorf - Wissenwertes aus dem Dorf

Jungmannschaft in Engelnstedt und Hallendorf von 1949

 

Unter der Leitung von Günter Lüling, einem Sohn des damaligen Pastor Lüling, gründeten wir am 17.05.1949 eine Jungmannschaft Engelnstedt / Hallendorf. Wir waren 12 Jungen im Alter von 15 - 17 Jahren.

In Engelnstedt trafen wir uns in der Freizeit im Pfarrhaus oben rechts auf dem Saal zum Tischtennis spielen und zum Boxen. Günter Lüling hatte Beziehungen zu ehemaligen Wehrmachtsbeständen. So bekamen wir unter anderem Zelte, eine Tischtennisplatte und mehrere Paar Boxhandschuhe, mit denen wir tüchtig trainieren konnten.

Zu Weihnachten erhielten wir einen kleinen Ausweis, ausgestellt auf den 26.12.1949, dass wir berechtigt seien, das Zeichen der evangelischen Jugend Deutschlands zu tragen. Dieses war eine Anstecknadel mit einem kleinen Kreuz auf der Erdkugel. Der Ausweis war unterschrieben von Pastor Gerhard Lüling.

 

Erstes Zeltlager 1948 in Oelber a. w. Wege

Im Jahr zuvor machten wir Jugendlichen aber schon unser erstes Zeltlager vom 1.- 4. August 1948 in Ölber am Weißen Wege auf einer Waldwiese gegenüber dem Oelber Teich. In diesem Teich konnten wir schwimmen und uns morgens waschen.

Als unser Koch fungierte der gewandte und erfindungsreiche Henning Hasselbring. Er zauberte uns immer etwas gutes Essbares auf den Tisch. Wir hatten uns genug Vorrat an Konserven mitgenommen. Wenn auch manche Büchse aus Kostengründen von der Freibank war, geschmeckt hat es uns trotzdem. Wir waren 5 Engelnstedter und 7 aus Hallendorf. Abends saßen wir am Lagerfeuer, wärmten uns auf, machten Spiele, sangen fröhliche Lieder und hatten uns viel zu erzählen.

 

Der Nächtliche Überfall und das schlechte Gewissen danach

Das zweite Zeltlager fand vom 27.07. - 01.08.1949 ebenfalls in Ölber a. W. Wege statt mit Günter Lüling. Hierzu hatten sich 12 Jungen aus Hallendorf und 6 Jungen aus Engelnstedt zusammengefunden. Wir wurden abgeholt mit unserem neuen Lanz Bulldog mit Anhänger und bis auf die Waldwiese wie im Vorjahr gebracht.

Unser Leiter Günter Lüling hatte erfahren, dass zur gleichen Zeit oben auf dem Burgberg in der Nähe der Burgruine eine größere Gruppe Jugendlicher mit dem Diakon Herrn Rappmund ihre Zelte aufgeschlagen hatten. Diese Tatsache ließ in uns den Entschluss reifen, dieses Zeltlager einmal zu besuchen aber nicht am Tage, sondern in der Nacht.

Voller Tatendrang marschierten wir in der nächsten Nacht bei Mondschein von unserem Zeltplatz los bis zu dem Parkplatz am Schlageter - Denkmal. Von dort führt ein Fußweg  hinauf zur Burgruine.

Wir alle, angespannt wie ein Flitzebogen, schlichen uns nun Mann hinter Mann den schmalen Weg hinauf zum vermeintlichen Zeltlager. Keiner sprach ein Wort, nur mit Zeichensprache verständigten wir uns.

Bald konnten wir im Mondlicht zwischen den Bäumen die Zelte erkennen und zwei Mann Wache, die vor sich hindösten. Wir verteilten uns leise nach beiden Seiten und auf ein Handzeichen unseres Anführers stürmten wir los, rissen die Heringe mit den Halteleinen der Zelte aus dem Boden, sodass sie in sekundenschnelle fast lautlos in sich zusammenfielen.
Die Wache war so überrascht und schockiert, dass sie nur sprachlos zusah und tatenlos den Angriff über sich ergehen ließ.

So schnell, wie gekommen, waren wir auch wieder verschwunden. Auf Umwegen kehrten wir zu unserem Lagerplatz zurück. Doch dann plagte uns das schlechte Gewissen.
Hat man uns erkannt? - Wissen sie, wo unser Lager ist? -  Kommen sie, uns zu überfallen? - Sie sind doch in der Überzahl.

Solche Gedanken ließen uns die ganze Nacht keine Ruhe. Die Wache wurde verstärkt, doch es passierte nichts mehr, auch die nächste Nacht nicht.

Später haben wir erfahren, dass die Jugendgruppe geglaubt hatte, es seien Lichtenberger Jugendliche gewesen, die sie überfallen haben.

 

Die Radtour an die Weser

Zu Ostern 1950 machten wir unter Leitung von Günter Lüling eine Radtour ins Weserbergland mit 9 Hallendorfern und 2 Engelnstedtern.  Zum Transport des Zeltes hatte einer von uns einen Fahrradanhänger zur Verfügung gestellt. Die mitgenommene Verpflegung wurde auf die übrigen Radfahrer verteilt.

Es sollte eine sehr anstrengende Tour werden, doch wir waren jung und voller Tatendrang.
Es ging von Salzgitter aus bergauf und bergab nach Süden über Seesen, Einbeck, Hardegsen, Adelebsen, Dransfeld nach Hannoversch-Münden, wo Werra und Fulda sich vereinigen zur Weser. Hier war der Wendepunkt für unsere Reise, denn von nun an ging es fast nur noch sanft bergab in Richtung Norden. Wir folgten dem Lauf  der Weser über Bad Karlshafen, Beverungen, Höxter bis Holzminden.

 Dort verließen wir die Weser und fuhren  über Bevern, Amelungsborn viel bergauf nach Eschershausen in den Hills. In einem Wald in der Nähe von Grünenplan suchten wir uns einen Platz zum Zelten in der Nähe einer Quelle. Gegenüber befand sich eine in den Berg gebaute nach dem Krieg verlassene Munitionsfabrik. Es war der letzte Abend vor unserer Heimkehr.

Unser Koch Henning Hasselbring zauberte uns, wie so oft, ein Gericht aus den letzten noch vorhandenen Dosen mit Freibankfleisch, Brot und frischem Quellwasser, das aber ganz braun aussah und wahrscheinlich sehr eisenhaltig war. Wir wuschen uns damit und tranken es auch. Wovon uns in der Nacht so hundeelend und übel geworden ist, konnte hinterher keiner mehr sagen. Am anderen Morgen fuhren wir, fast alle mehr oder weniger angeschlagen, die letzte Etappe aus dem Hills heraus oft steil bergab über Alfeld, Bad Salzdetfurt, Holle zurück nach Salzgitter.

Dieses war unsere letzte Fahrt mit Günter Lüling. Sein Vater Pastor Gerhard Lüling wurde von beiden Kirchenvorständen nicht wieder gewählt. Er siedelte daraufhin mit seiner ganzen Familie am 26.4.1950 nach Flechtorf über.

 So fiel unsere Jugendgruppe langsam auseinander. Dazu kam auch noch, dass viele von uns eine Lehre antraten oder sonst wie einen Beruf ergriffen. Ein neuer Pastor wurde erst im nächsten Jahr für Engelnstedt und Hallendorf eingesetzt, Pastor Edmund Thies aus Winsen an der Aller.

                                                                      
Teilweise aus der Kirchen-Chronik  Engelnstedt - Hallendorf von 1922 u. eigener Erinnerung.                                                                                                                                              

H.Hagemann 2004

 

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